Sonntag Exaudi, 24. Mai

ein Impuls von Pfarrerin Anja Sonneborn

Der Sonntag Exaudi hat seinen Namen aus einem lateinischen Vers aus Psalm 27, der übersetzt heißt:

"Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe!“

Thematisch behandelt dieser Sonntag die Abschiedssituation der Jünger von Jesus, der entsprechend der biblischen Erzählung nach Himmelfahrt nicht mehr sichtbar unter den Jüngern weilt. Wie können sie mit dieser Situation umgehen? An wen richtet sich ihre Sehnsucht, die bisher Jesus gestillt hat. Der Logik der Erzählung folgend, sind die Freund*innen Jesu jetzt in ihren Alltag zurück geworfen und fragen sich, wie sie die Erfahrungen mit Jesus jetzt in ihr Leben einbringen können.

Das sind Fragen, die uns auch betreffen. Denn es gibt Tage, an denen steigt Sehnsucht in mir auf, doch dieses Nie-fertig-Werden hinter mir zu lassen, die alltäglichen Probleme zu überwinden. Ich will dann Sinn und Geborgenheit finden und nicht immer wieder neu suchen und zweifeln.

Inmitten dieser Sehnsucht wird mir schmerzhaft bewusst, dass wir Menschen Geborgenheit, Liebe und Glück, Freiheit und Gott-nahe-sein nur bruchstückhaft erleben. Wir möchten erfahren, was die Welt und das Leben zusammenhält, möchten direkten Kontakt spüren mit dem Heiligen, mit Gott – und eine Geborgenheit finden, die anhält.

An solchen Tagen kommen mir die Worte des Propheten Jeremia nahe, die als Predigttext für den Sonntag Exaudi eine Antwort auf diese Sehnsucht geben:

Jeremia 31,31-34 :
Gebt Acht, die Zeit wird kommen, da will ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund schließen. Dieser Bund gleicht nicht dem Bund, den ich mit ihren Eltern geschlossen habe an dem Tag, als ich sie an ihrer Hand nahm, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen: diesen meinen Bund konnten sie brechen, obwohl ich über sie geboten habe. Sondern so wird der Bund aussehen, den ich mit dem Haus Israel nach jener Zeit schließen will: Ich werde meine Weisung in ihr Inneres legen, in ihr Herz werde ich sie schreiben. Ich werde ihnen Gott und sie werden mir Volk sein. Sie werden einander nicht mehr belehren und weder zu den Mitmenschen noch unter den Geschwistern sagen: Lerne Gott kennen! Denn sie alle werden mich kennen, alle von Klein bis Groß. Denn ich werde ihre Vergehen verzeihen und an ihre Unrechtstaten nicht mehr denken.

Gebt acht, die Zeit wird kommen – heißt es.

Aber wann? Gott sei Dank erfahren wir Menschen manchmal, dass diese Sehnsucht nach Nähe gestillt wird. Und von diesem Funken lebt unser Glaube. Aber die dauerhafte Erfüllung unserer Sehnsucht steht noch aus.

Manchmal, so denke ich, kann auch ein kleiner Augenblick gestillter Sehnsucht dauerhaft etwas in uns verändern.

Der Film „Contact“ greift diese Suche und Sehnsucht auf.
Ellie Arroway, eine amerikanische Wissenschaftlerin, macht sie sich auf die Suche nach Antwort auf ihre großen Fragen. Sie hat sozusagen eine wissenschaftlich ausgeprägte Sehnsucht nach Gott. Auf einem Forschungsfeld in der Wüste Neu-Mexicos ist sie mithilfe riesiger Sattelitenschüsseln auf der Suche nach außerirdischer Intelligenz. Sie wartet jahrelang, doch ihre Sehnsucht erstickt nicht.

Und dann plötzlich: Ein Ton wird eingefangen, der anders ist als alle bisherigen Geräusche. Klopfgeräusche, die einen ganz bestimmten Rhythmus zu haben scheinen. Ellie ist jetzt ganz bei der Sache. Sie findet heraus: Die Klopfgeräusche sind definitiv aus dem All. Und sie haben eine Bedeutung und fügen sich zusammen zu einem Bauplan für ein gigantisches Raumschiff. Der Bau wird in die Tat umgesetzt und dann ist der Tag des Abflugs gekommen. Voller Hoffnung und Ängste besteigt Ellie Arroway vor laufenden Kameras das Raumschiff.

Eine abenteuerliche Reise durch das wunderschöne Weltall beginnt – durch gekrümmte Tunnel, durch farbige Spiralnebel. Wunderbare Bilder. Ellie spricht zärtlich berührt: „Es ist alles so wunder-wunderschön. Ich habe keine Worte für diese Schönheit, diese Farben. Als Wissenschaftlerin kann ich das alles gar nicht in Worte fassen. Sie hätten einen Dichter schicken sollen. Es ist so wunderschön hier.“

Dann kommt das Weltraumschiff endlich ans Ziel. Ellie steigt aus. Die Szenerie scheint so unwirklich, der Ort der Landung erinnert an einen bekannten Platz aus Kindheitstagen.

Eine Gestalt auf sie zu. Sie sieht ihrem Vater ähnlich. Gleichzeitig spürt sie die Gegenwart von etwas Größerem, Göttlichem. Das Göttliche kommt ihr entgegen, aber in ihrer Sprache und in Bildern, die ihr vertraut und wert sind. Die väterliche Gestalt sagt zu ihr: „Ihr Menschen seid schon eine besondere Mischung. Ihr habt die Fähigkeit zu so wunderbaren Träumen und zu so grauenvollen Albträumen. Ihr fühlt euch so allein, so verloren. Aber das seid ihr gar nicht. Auf der Suche gegen die Leere haben wir immer wieder eines: Wir haben einander.“

Und mit einem liebvollen Kuss auf die Stirn wird Ellie auf den Weg nach Hause entlassen. Tief in sich tragend eine Begegnung der besonderen Art.

„Wir haben einander“.

Dieser Satz im Film hat mich auf eigentümliche Weise berührt. Was meint er genau? Wer ist „wir“? Meint es uns Menschen untereinander? Oder geht es vielleicht auch um das Verhältnis zwischen Mensch und Gott?

Dieses „Wir“ schillert in seiner Bedeutung. Für mich klingt dieses „Wir haben einander“ wie eine tiefe Wertschätzung des Menschen und es erinnert mich an: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst – und Gott von ganzem Herzen.

Vom Weltraum zurück und wieder zu Hause gelandet, erzählt Ellie von ihrem unglaublichen Erlebnis – und es glaubt ihr – fast – niemand. Ellie kann nur sagen: „Ich habe eine Begegnung gehabt. Ich kann sie nicht mal beweisen, doch spüre sie mit allem was ich bin. Wir sind verbunden mit etwas Höherem – und wir sind nicht allein. Keine Sekunde.“

Mit diesem Gefühl im Herzen können wir leben. Ohne Jesus als sichtbares Gegenüber, aber in der unmittelbaren Verbindung zu Gott. Und mit Blick auf Pfingsten und die Kraft Gottes, die uns verheißen ist.

Solche Begegnungen, verbunden mit einem Geborgenheit vermittelnden Gefühl wünsche ich Ihnen, wünsche ich uns allen.

 

Eine neue Verbindung

Gebt Acht, die Zeit wird kommen,
da will ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund schließen.
Dieser Bund gleicht nicht dem Bund, den ich mit ihren Eltern geschlossen habe an dem Tag, als ich sie an ihrer Hand nahm, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen: diesen meinen Bund konnten sie brechen, obwohl ich über sie geboten habe.
Sondern so wird der Bund aussehen, den ich mit dem Haus Israel nach jener Zeit schließen will:
Ich werde meine Weisung in ihr Inneres legen, in ihr Herz werde ich sie schreiben.
Ich werde ihnen Gott und sie werden mir Volk sein.
Sie werden einander nicht mehr belehren und weder zu den Mitmenschen noch unter den Geschwistern sagen: Lerne Gott kennen!
Denn sie alle werden mich kennen, alle von Klein bis Groß.
Denn ich werde ihre Vergehen verzeihen und an ihre Unrechtstaten nicht mehr denken.

Jeremia 31,31-34