von Pfarrerin Anja Sonneborn
Der 23. Psalm gehört zu den bekanntesten Texten der Bibel. Viele Menschen haben ihn als Kind oder im jugendlichen Alter auswendig gelernt. Einzelne Verse daraus stehen auf unzähligen Konfirmationsurkunden. Es ist ein Psalm, der bis in unsere Gegenwart hinein durch seine bildhafte Sprache religiöse Erfahrungen hervorruft. Besonders in den Momenten, in denen Menschen mit Bedrohungen leben müssen.
Mit geradezu idyllischen Bildern vermittelt der Psalm mir ein Gefühl von Vertrauen und Behütet-Sein:
Am Anfang des Psalms spricht ein Schaf ganz konkret von seinen Bedrohungen für Leib und Leben: Da ist der „gute Hirte“ lebenswichtig für die Suche nach einer Wasserstelle in der Wüste, um Tiere und Menschen vor dem Verdursten zu retten. Und kann der Durst gestillt werden, lebt das Schaf wieder auf!
Der Hirte verwendet einen Stab, mit dem er ausbrechende oder verspätete Tiere in die Herde zurückleitet. Und er hat einen eisenbeschlagenen Knüppel, mit dem er wilde Tiere vertreibt.
Auch das „finstere Tal“ spricht für sich selbst: Es steht für die Bewahrung vor dem Tod und die Rettung aus Gefahr!
Ein Schaf sitzt nicht an einem gedeckten Tisch und trinkt nicht aus einem Becher. Wir hören unerwartete Dankbarkeit und Erleichterung, den Feinden entkommen zu sein und von jetzt an nur noch von Gutem und Barmherzigkeit verfolgt zu werden. Hier im zweiten Teil spricht ein Mensch, der im Tempel Zuflucht gefunden hat, weil er vor seinen Feinden davonlaufen konnte.
Für uns Heutige in Bochum entstammt das Bild vom Schaf in der Herde oder der Flucht vor Feinden nicht unserer Alltagserfahrung, aber trotzdem spricht dieses Bild uns an, weil es zeitlos zu sein scheint.
In Japan klingt das z.B. so:
Der Herr gibt mir im Tempo der Zeit
immer wieder einen Augenblick der Stille,
eine Atempause, in der ich zu mir komme.
Ich brauche nicht zu hetzen.
Oft lässt er mir mühelos etwas gelingen,
und es überrascht mich selbst, wie zuversichtlich ich sein kann.
Obwohl ich viel zu viel Arbeit habe,
brauche ich doch die Ausgeglichenheit nicht zu verlieren.
Oft – mitten im Gedränge – gibt er mir ein Erlebnis, das mir Mut macht.
Das ist, als ob mir jemand eine Erfrischung reichte,
dann ist Friede da und tiefe Geborgenheit.
Ich spüre, wie meine Kraft dabei wächst,
wie ich ausgeglichen werde und mir mein Tagwerk gelingt.
In Papua-Neuguinea, wo viele Menschen in traditionell dörflichen Strukturen leben und das Leben ruhiger verläuft als in Japan, müssen andere Worte gefunden werden.
Gott wacht über mich,
darum verzehrt mich die Armut nicht.
Er lässt mich auf sonniger Lichtung lagern
und führt mich zur Rast ans schattige Flussbett.
Er zeigt mir, wo ich kaltes Wasser finde
und leitet mich auf geraden Wegen ans Ziel.
Wenn mich die Dunkelheit in tiefen Bergschluchten überfällt,
packt mich keine Angst vor dem Schrecklichen, das mir zustoßen könnte,
Denn du gehst ja mit mir.
Dein Speer und dein Schild stützen mich fest.
Vor meinen Feinden dämpfst du mir eine Mahlzeit im Erdofen,
aus der Fettflasche reibst du mir Fett aus Haupt,
das Bambusrohr füllst du mir bis zum Rand.
Alles, was angenehm und schön ist, wird um mich sein, bis ich einmal sterbe.
Und ich werde dann immer in Gottes Hütte wohnen.
Sie dürfen uns das gerne wissen lassen …
Amen.